Bustine di Bacco - Herrn Grafs italienische Trinknotizen
FOLGE 5 – AGLIANICO-QUARTETT: DIE KIRSCHE IN DER LEDERJACKE
Der Aglianico ist uralt. Daher kennt ihn die Jugend offenbar nicht mehr so recht. Dabei zählt die aus dem Alten Griechenland stammende und auch im italienischen „magna Graecia“, den Stadtstaat-Kolonien der Antike, kultivierte Sorte heute zu den wichtigsten Rotweinen Kampaniens. Aber wir können auch nicht alle Neapolitaner sein. Und so traf es sich gut, dass Paolo Cancro zu einer kleinen, aber erhellenden Vergleichskost von vier unterschiedlichen Jahrgängen lud. Seit der „piccola degustatione“ in der Margaretenstraße wissen wir auch, was der Aglianico so trägt – er hat nämlich einen Ledermantel. So beschrieben wir schließlich die markante Kombination aus Säure und Gerbstoff („acidità e astringenza“, nennt der Kundige die Haupteigenschaften der Rebe).
Der vulkanische Boden Kampaniens jedenfalls taugt der Sorte, das wurde gleich beim ersten Glas klar. Glasklar, quasi. Es stammte von „Cantine Astroni“ und stellte einen jugendlichen Einstieg in das Reich Aglianico dar. 2015 gelesen, wirkte der violette Rand des im Stahl vergorenen „Sannio“ wie eine jugendlich-verspieltes Freundschaftsband am Arm eines Teenagers. Tiefe Weichsel-Frucht und auch etwas Beeren-Töne (vor allem Brombeere) brachte der 2015er im Duft mit. Seine 12,5% Alkohol ergaben einen saftigen, wieder von der Sauerkirsche geprägten Gaumen-Eindruck. Der Gerbstoff war vor allem gegen Ende merklich, die Jugend ließ sich nicht abstreiten. Doch kühl serviert – in Österreich leider immer noch selten zu finden – macht schon der junge Herr Aglianico Spaß. Haben sie noch Pasta, Herr Paolo?
Selbstbewußt: Il Barolo del Sud
Doch statt die Tauglichkeit im Food Pairing zu testen, widmen wir uns der zweiten Flasche, bei der man an Walter „Schoko“ Schachner denken darf. Denn in Paternopoli (klingt recht griechisch, das alte Anbaugebiet!) bei Avellino wachsen die Trauben für den „Irpinia DOC Campi Taurasini“. Und für Avellino zerriss einst „Schoko“ seine Packeln. Und wo Taurasi drauf steht, ist übrigens auch Aglianico drinnen. In diesem Fall ein 2011er Jahrgang, der seine zwölf Monate im Holzfass nicht verleugnen kann: Nougat und Kokos, mit mehr Luft auch Veilchen und Malve, steigen als Duft aus dem Kostglas. Am Gaumen ist der Aglianico von Fonzone vollmundig mit seiner Kirschfrucht, zu der sich auch eine kühlere Zwetschke als Grundierung gesellt. Der Gerbstoff ist auch nach fünf Jahren noch deutlich vorhanden, in diesem Falle stützt er einen Wein, den Hausherr Paolo als „tannico e corposo“ beschreibt. Recht hat er! Denn als „Barolo des Südens“, wie ihn Kampanier stolz nennen, darf der Aglianico auch das Tannin und dieses leichte Bitterl im Abgang haben. Mit einem Wildsugo dazu schmeckt das schon wieder ganz anders. Und schließlich ist der „Irpinia DOC Campi Taurasini“ auch für die Langstrecke gebaut.
Die nächsten beiden Weine stammen aus dem Cilento, wo sich die Tenuta Salvatore Magnoni als Konglomerat von Weinbau, Agriturismo und Musik befindet. Der Winzer hinter dem „Rosso del Ciglio“ war schließlich DJ und verleugnet diese Vergangenheit nicht. Aus dem regenreichen Jahr 2014 hat er einen Aglianico mit 13,5% geerntet, den er in seinen eigenen Kostnotizen mit Otis Redding vergleicht. Hat der „Rosso del Ciglio“ so viel Soul? Zumindest hat er eine Seele, sie besteht aus sattem Kirschenaroma. Und diese Seele trägt einen Ledermantel. Denn so duftet dieser Aglianico. Doch gehen wir es systematisch an: Der Geruch dieses 2014ers führt eindeutig nach Italien mit seiner maskulinen Mischung aus Bockshörndl, Leder (der Mantel!), Sauerkirschen und getrockneten Tomaten. Dazwischen mischt sich auch der leicht jodige Geruch eines abendlichen Wellengangs am Meer. Der auf knapp 400 Metern reifende Vino Rosso wirkt anfangs fruchtsüß, ehe sich schnell die Kirsche mit ihrem ledrigen Gefolge zeigt. Kurz blitzt ein Hauch von Marzipan auf, ehe das jugendliche Gerbstoff-Bitterl im Finish signalisiert: Ich bin noch ein junges Ding!
DJ Salvatore und der Groove der Rebe
Sicher macht dann der Vergleich, denn Salvatore Magnonis zweiter Aglianico hat ein Jahr mehr auf der Flasche und stammt auch aus einem üppigeren Jahr. 15% Alkohol! Noch Fragen? Der Name des Weins ist der Devise „Prima la terra, poi tutto il resto“ geschuldet, die auch den Hausprospekt der Tenuta ziert. Für sechs Monate reifte der „Primalaterra” 2013 im Barrique und röstig zeigt sich der Wein aus der Provinz Salerno auch im Duft: Fast wie Maronischalen riecht es aus dem Glas, auch gegrillte Zwiebeln und natürlich wieder die Kombi Kirsche und Leder sind zu vermelden. Am Gaumen wirkt der Aglianico lebendig und keineswegs schwer oder likörig; fast möchte man ihn einem Lambrusco-Freund ans Herz legen. Doch das mächtige Tannin sorgt dann doch für eine andere Charakteristik. Dieser Wein will atmen, dann bekommt seine Espresso-Note auch den nötigen säurigen Beistand und er entwickelt trotz seiner „PS“ einen ziemliche Zug. „Zuletzt hat ein Tisch bei uns sechs Flaschen getrunken“, lacht Signore Paolo nur. Man muss offenbar kein Neapolitaner sein, um den gut zu finden. Glück gehabt: Kein Neapolitaner bin ich schon lang.
Wo bekomme ich das?
Alle vier Aglianicos sind bei „Donatella – italienische Feinkost“ erhältlich: Der 2015er Aglianico von „Cantine Astroni“ um 12 Euro; Fonzones Aglianico 2011 kostet 21 Euro. Die beiden von Salvatore Magnoni – „Rosso del Ciglio” 2014 bzw. „Primalaterra“ 2013 – kosten 21 Euro bzw. 28,50 Euro.
Donatella
Margaretenstraße 42
1040 Wien