Interview mit "Zuagrastn" - Teil 4
BRUNO CICCAGLIONE IM GESPRÄCH
Bei der Suche nach Köchen, die sowohl Kochkurse abhalten, wie auch als Privatköche gebucht werden wurde mir vor über 10 Jahren Bruno Ciccaglione empfohlen. Damals wußte ich noch nichts von unserer gemeinsamen Liebe Kino und auch seine musikalische Ader war mir nicht bekannt. Aus einem ersten Gespräch wurde eine Zusammenarbeit auf vielen Ebenen. Höchste Zeit den aus dem Latium stammenden Koch / Autor / Musiker / Aktivisten ein paar Fragen zu stellen!
Was führte Dich nach Wien bzw. seit wann lebst Du hier?
Was mich im Frühjahr 2008 nach Wien brachte, war eine Kombination aus zwei Faktoren:
Erstens hatte ich eine Österreicherin kennengelernt, mit der wir nach einer Weile beschlossen, zusammenzuleben - mit der ich glücklicherweise immer noch zusammen sind.
Zweitens wollte ich mein Leben ändern und war ein wenig müde und enttäuscht von Italien. In den vorangegangenen Jahren hatte ich hauptsächlich in der Welt der NGOs und der Gewerkschaften gearbeitet, mit großem Einsatz und Engagement, aber auch mit einer gewissen Anstrengung (es waren die goldenen Jahre von Berlusconi und seiner Politik). Ich wusste, dass mein Wunsch nach einem neuen Arbeitsumfeld riskant und voller Ungewissheiten war, aber ich war entschlossen, mich stärker den Dingen zu widmen, die mir gefielen und mich am meisten interessierten.

Fotoquelle/Fotorechte: Ulrike Köb
Eines dieser Interessen war die Küche Deiner Heimat Italien (zu anderen kommen wir später). Nun ist der Schritt von Deiner politischen Arbeit in einer NGO hin zur Gastronomie doch ungewöhnlich. Wobei wortwörtlich das eine „satt“ und damit „Hunger“ auf etwas Neues zu haben, passt ja schon wieder zusammen. Wieso die Entscheidung für diesen Neubeginn?
Eigentlich bin ich mit einem politischen Bewusstsein für die Funktionsweise der Landwirtschaft und des internationalen Warenhandels in die Küche gekommen, und zwar mit einem Umweltbewusstsein und der Idee einer Küche, die im Einklang mit der Natur steht, wie sie von Slow Food vorgeschlagen wird. In meinem „früheren Leben“ hatte ich das Glück, viele Teile der Welt zu bereisen, und war daher sehr offen für neue Erfahrungen. Wäre ich aus einem der schönsten Orte Italiens gekommen (Städte wie Florenz, Neapel oder Bologna oder ein Badeort in Apulien oder Sizilien), wäre es vielleicht schwieriger gewesen, daran zu denken, Italien zu verlassen.
Aber ich stamme aus einer Gegend, die einen unaufhaltsamen Niedergang erlebte und immer noch erlebt, sowohl wirtschaftlich als auch kulturell: Ciociaria (zwischen Rom und Neapel) ist leider nicht mehr der Ort, an dem Vittorio De Sica, Marcello Mastroianni, Ennio Morricone und Nino Manfredi geboren wurden. Und schließlich faszinierte mich Wien: nicht nur das klassische und konventionelle Wien (das von Mozart und dem Musikverein), sondern auch das von Freud und Schönberg, Klimt und Schiele.
In gewisser Weise habe ich erst seitdem ich in Wien lebe begonnen darüber nachzudenken, was die italienische Kutur – einschließlich der Küche – ist, sie nicht mehr als selbstverständlich anzusehen.
Womit Du mich auf die Fährte Deines „Musikerlebens“ schickst, hin zur Verbindung von Film und Musik als Taktgeber, als Inspiration für Deine Arbeit mit dem Trio Amarcord+, bei dem ihr Filmmusik von Ennio Morricone oder Nino Rota mit „schräger“ Besetzung neu arrangiert, die Filmwelten von Federico Fellini bis Sergio Leone hochleben lässt. Welche Liebe war zuerst da, Film oder Musik? - die berühmte Hahn-oder-Henne-Frage!
Die Liebe zum Kino wurde definitiv zuerst geboren. Als ich etwa 7 Jahre alt war, wurde mein Vater gebeten, zwei kleine Kinos im Zentrum meiner Stadt zu leiten, so verbrachte ich viele Tage im Kino und sah mir jede Menge Filme an. Obwohl ich manchmal im Vorführraum war, verbrachte ich - im Gegensatz zum Protagonisten in Nuovo Cinema Paradiso - die meiste Zeit im dunklen Kinosaal. Ich erinnere mich, dass das Kino bei der Vorführung von Der weiße Hai oder Saturday Night Fever voll war. Die Musik kam später, mit der Entdeckung von Bruce Springsteen und The Clash, im Alter von 13 Jahren.
Vom Rock ging es weiter zu den Italienischen Cantautori, die Du in Deinen Programmen mit der Filmmusik verschränkst. Es scheint Dir ein Anliegen, die Liederwelten von - dem auch bei uns geschätzten - Paolo Conte bzw. unbekannten Liedermachern wie Gino Paroli oder Luigi Tenco einem Publikum vorstellen zu wollen. Wie kommt dies beim Publikum an und gibt wie steht es um die aktuelle Liedermacherszene in Italien?
Ja, wenn man erwachsen wird, dann sucht man in der Musik nach anderen Dingen, genau wie im Leben. Als ich im Alter von 18 Jahren anfing, Gitarre zu spielen, begann ich auch, mich auf andere Weise für Musik zu interessieren und neue Interessen zu entwickeln.
Das Gleiche geschah mit dem Kochen. Als ich während meiner Universitätszeit anfing, zu Hause für mich selbst zu kochen, begann ich auch, anders über Essen und Kochen zu denken. Als ich in Siena studierte, begann ich, eine andere regionale Küche zu entdecken und das Kochen als eine Kultur zu betrachten.
Sowohl in der Musik als auch in der Küche versuche ich, dem Publikum und meinen Kunden die italienische Kultur näher zu bringen, über Klischees hinweg zu gehen, um Reichtum und Vielfalt der italienischen Musik und Küche zu entdecken. Erfreulicherweise ist das Interesse in Österreich sehr groß, und der Wunsch, mehr über Italien zu erfahren, hat mich sehr beeindruckt,
Neben der Musik spielt bei Dir die Literatur eine große Rolle. Sei es als Moderator am Festival für italienische Literatur „La Fonte“ in Wien - das gerade über die Bühne ging - wie als Autor von Gourmandisen für den Mandelbaum Verlag.
Auf Italissimo darf ich Dich als Privatkoch bzw. mit Deinen Kochkursen präsentieren. Der Schritt vom Koch & Lehrenden am Herd zum Autor an der Tastatur ist nicht ganz so einfach und doch liegen bereits fünf dieser Gourmandisen genannten Kleinode für Feinschmecker im Buchformat vor. Wie kam es dazu, wie wählst du die „Zutaten“ dafür aus?
Die erste „Zutat“ war die Artischocke. Als ich anfing, als Privatkoch zu arbeiten, wollte ich italienische Küche anbieten, aber mit lokalen Erzeugern zusammenarbeiten, im Sinne von Slow Food. So entdeckte ich, dass die Familie Theuringer im Marchfeld hervorragende Artischocken anbaut, und ich begann, mit ihr zusammenzuarbeiten und Kochkurse zu diesem Gemüse anzubieten.
Als der Mandelbaum Verlag die Reihe „Kleine Gourmandiesen“ ins Leben rief, war ich bereits durch meine Arbeit über Artischocken bekannt, und so wurde ich gebeten, das erste Buch zu schreiben. Angesichts des Erfolgs wurde ich dann gebeten, die anderen Bücher zu schreiben: Zitrone, Fenchel, Radicchio, alles sehr italienische Produkte. Besonders stolz bin darauf, dass man mich auch gebeten hat, das Buch über Weizen zu schreiben, weil es vielleicht das schwierigste und ehrgeizigste dieser Bücher war. Angesichts der Geschichte und der globalen Bedeutung dieses Produkts, und weil es mir erlaubt hat, über die Grenzen Italiens hinauszugehen, um über ein Produkt zu sprechen, das eine viel wichtigere Geschichte hat als die eines einzelnen Landes.
Kurz zurück zur Artischocke. Die gehört ja quasi zu Deiner Latium-DNA. In den letzten Jahren hast Du gemeinsam Familie Theuringer den Artischockentag ins Leben gerufen, an dem nach einem Besuch am Feld, vor Ort ein ganzes Artischokenmenü in Kochkursform gekocht und genossen wird. Wird es dieses Event auch im Sommer 2025 geben? Was sind im Frühjahr die Schwerpunkte / wichtigsten Zutaten Deiner Kochkurs im Kochstudio von Babette`s bzw. für Kurse bei den Kunden zu Hause sein?
Auch in diesem Jahr, zum elften Jahr in Folge, werden wir wieder den Tag der Artischocke anbieten. Es wird zwei Termine geben, einen Ende August und einen im September, und es ist bereits möglich zu buchen.
Termine „Tag der Artischocke“
31. August 2025
14. September 2025
Webllink zu mehr Infos ...
Die Kochkurse bei Babette's werden in den kommenden Monaten zahlreich sein und sind vielen Themen gewidmet: von der römischen über die neapolitanische oder sizilianische Küche bis hin zu bestimmten Produkten wie Zitronen. Zu jeder Jahreszeit ändern sich natürlich die Rezepte der Kochkurse ein wenig. Jetzt steht der Frühling vor der Tür, der uns einzigartige Aromen und Farben bescheren wird.
Ich habe außerdem beschlossen, mit einer neuen Art von Veranstaltung zu experimentieren, bei der der Schwerpunkt auf Geschichten über italienische Produkte und die italienische Küche liegt. Meine Leidenschaft für Kochen und Literatur ist sehr ausgeprägt, deshalb passiert es mir bei Kochkursen oft, dass ich so viel über Produkte, Rezepte und die Geschichte der italienischen Küche erzählen möchte, aber nie genug Zeit habe – denn man muss ja auch kochen ! Deshalb habe ich mir eine andere Art von Veranstaltung überlegt, bei der diese Geschichten im Mittelpunkt stehen, ein echtes „Story Telling“ das jenseits der Klischees die Idee der italienischen Küche erzählt, die ich in mehr als 12 Jahren als Koch und Buchautor entwickelt habe. Premiere ist am 4.April bei Babette’s - Weblink zu mehr Infos ...
Im Mai wird eine Sonderausgabe der Kronen Zeitung erscheinen, die der internationalen Küche gewidmet ist. In dieser Publikation werden zehn traditionelle italienische, französische und spanische Rezepte vorgestellt, die von mir gekocht und von der Fotografin Ulrike Köb, mit der ich seit mehreren Jahren zusammenarbeite, fotografiert wurden.
Sieht nach einem vollen Terminkalender aus. Umso mehr: vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die laufende Kochkurssaison.
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