Bustine di Bacco - Herrn Grafs italienische Trinknotizen / Folge 10
SEKTBLÄSCHEN, GROSS WIE KICHERERBSEN? DIE SPRUDELIGE WELT VON „CECI“
Lambo fahren können nur wenige, Lambo trinken können alle. Sie tun es nur nicht. Was nicht am Preis liegt, sondern am Image. Denn der Lambrusco ist eben kein Sportwagen. Eher so etwas wie der Opel Kapitän. Oder der VW Jetta. Den hatte man mal sehr geliebt, er war ein Schritt Freiheit, ein Stück der weiten Welt vielleicht sogar. Aber heute redet man nicht mehr darüber. Man ist ja (vermeintlich?) weiter. Was der vorurteilsgesättigte Trinker von Welt dabei übersieht: Natürlich hat sich der Lambrusco ebenso weiterentwickelt wie die Vorlieben seiner einstigen Käufer.
Das sei vorangestellt, weil nach der einer „rivisitazione“ des prickelnden Rotweins, zu der Michaela Pop von Buongustaio Wien einlud, formte sich ein Gedanke: Was, wenn der Wein, der einstmals Nicht-Weinkundigen, genau das ist, was den neuen Wein-Genießern taugen könnte? Mit kopflastigen Terroir-Diskussionen, dem Preis als einzigem Qualitätsindex oder Herrschaftswissen (danke, Michel Foucault!) der „Marke Alter, weißer Mann“ braucht man denen nämlich nicht kommen. Und das ist gut so. Der Lambo, aber, der alte Spaßmacher aus der Emilia-Romagna, punktet vielfach: Er sieht gut aus in seinem roten Harlekin-Gewand, blubbert lustig und schmeckt nach Erdbeeren. Ein bisserl Süße darf auch sein. Da lacht doch das Gen Z-Herz!
Eiskalt servieren sie einen Obstsalat mit Perlen
Wobei man kein „Z“ sein muss, um das lachende Herz zu spüren, denn schon der erste Wein im Buongustaio ist ein Gaumentratzerl von Rang. „Spumante Ceci Extra Dry“ riecht wie Honigmelonen und gelbe Äpfel, mit mehr Luft im Glas meldet sich auch Stachelbeere. Der Unterschied zwischen Arrivierten und Parzival-naiven Wein-Novizen? Erstere würden gleich eine „Sauvignon blanc“-Nase ausmachen – und die eigene rümpfen dabei. Die anderen trinken einfach. Denn der Schaumwein aus dem Örtchen Torrile (Provinz Parma) kärchert mit ordentlich Druck über den Gaumen. So viel „bollicine“, also: Blubberbläschen, kann er aber gar nicht haben, dass man den exotischen Touch nicht schmecken würde. Guave und Kiwi sind ausgeprägt wie in einem Obstsalat. Wobei man dessen Rezept gerne besitzen würde. Denn der „Spumante Ceci Extra Dry“ wird immer weniger fruchtsüß; im Abgang schmeckt man eher würzige Akzente. Etwa Weißen Pfeffer. Starker Auftakt!
Dabei ist dieser Schaumwein nach Martinotti-Methode (die überall anders Charmat-Methode heißt) gar nicht so typisch für die Cantine Ceci. Denn die steht natürlich für Lambrusco, doch schon der „weiße“ Schäumer aus den Sorten Pinot Blanc, Sauvignon Blanc und Malvasia di Candia zeigt, dass man ein Händchen für alles Sprudelnde hat. Eine besondere Spezialität des Weinguts sind die markanten Flaschen. Die jüngste Pioniertat bei der Hülle ihrer „bollicine“ stellte die Einführung einer Flasche recycelbarem Aluminium dar. Das zeugt von Nach-haltigkeit, hilft aber auch beim Vor-Kühlen. Denn die schlanke Leichtmetallflasche wird schneller kalt. Und wer will schon warmen Sprudel?
Ein Regenbogen, der nach Pfirsich schmeckt
Wir jedenfalls nicht, den „Otello Colorato“, eine Art trinkbare Farb-Therapie, genießen wir jedenfalls kühl. Die in den Regenbogen-Farben lackierten Flaschen schimmern zwar unterschiedlich, beinhalten aber allesamt einen Spumante, der auf 100% Pinot Bianco basiert. Die unterschätzte Sorte leistet in der Versektung einiges (auch in der Champagne ist sie eine historische Rebsorte), das zeigt auch dieses „trompe-l'œil“ – rote Flasche, weißer Wein – sofort. Ein Duft nach Vanille wie in einer crema pasticciera sorgt zusammen mit dem Brioche-Geruch für eine heiter-beschwingte Aussage: „Der geht auch zum Frühstück“!
Tatsächlich ist dieser Spumante einer, der vielen gefällt. Gute Perlage und cremige Noten sind gleichermaßen da. Dazu erfreut sein zarter Pfirsich-Geschmack. Vor der letzten Lieblichkeit bewahrt neben dem guten Trinkfluss durch die Kohlensäure auch eine leichte Pikanz, die sich nach ein paar Minuten nicht nur am Gaumen zeigt. Dann ortet auch die Nase ein Quäntchen Gelbe Paprika.
Die Cantina Ceci selbst, die mit dem „Otello“ ihren Gründer ehrt, begann aber mit dem Lambrusco. Den schenkte Schankwirt Otello Ceci in seiner Osteria aus, ehe man ihn 1938 auch zum eigenen Geschäftszweig machte. Das in Österreich so unselige Jahr benennt daher eine Weinlinie ebenso wie Giuseppe Verdis Geburtsjahr 1813.
Pinot Nero als Brückenbauer zum Lambrusco
Den 1938er trägt etwa der „Spumante Ceci Brut“, der mit einem Blend aus Chardonnay und Pinot Nero ein internationaleres „bollicine“-Rezept vorstellt. Eine feine Hefe-Duftspur steigt aus dem Glas, die Fruchtseite repräsentiert ein Birnen-Sorbetto, im Hintergrund dürfen noch Kirschblüte und roter Apfel ihr Bouquet verströmen. Im Mund hingegen wird es beinahe kräuterfrisch, wenn die druckvolle Perlage einen zupackenden Typus Spumante einleitet. Zitronenmelisse lässt sich schmecken, eine leichte Nuss-Note und säurige Tropenfrucht wie Passionsfrucht. Es ist ein idealer Apéro, das sei gerade mit Blick auf den Sommer angemerkt. Aber: Auch der „Ceci 1938 Brut“ ist noch kein Lambrusco.
Der kommt noch! Ihr Spannungsaufbau verdient zwar noch nicht das Prädikat „nervenzerfetzend“, aber listig baut Michaela Pop noch eine Brücke in Richtung Ceci-Kernkompetenz. Ein prickelnder Rosé, basierend auf 100% Pinot Nero, ist die Art dramaturgischer Verzögerung, über die man sich nie beschwert. Denn der „Otello Rosé Edizione 1813“ mag nur blassrosa im Glas sein, er duftet aber herrlich wie ein Himbeer-Macaron. Rosa Beeren, der Scheinpfeffer, den alle dennoch Rosa Pfeffer nennen, erschnuppert man dahinter, etwas Hefe und Rosa Grapefruit. Kurz gesagt: den will man kosten!
Und in der Tat enttäuscht der Rosé nicht, denn die Himbeeren sind auch am Gaumen da, allerdings angenehm „un-süß“ und auch mit einem würzigen Unterton versehen. Ein rotweiniger Touch verhilft ebenso dazu, dass dieser Wein fast zum Beißen dicht wirkt. Erneut – und diesmal aus der Emilia-Romagna – ein Beleg für die hohe Raffinesse, die Rosé (mit und ohne Blubberbläschen) heute erreicht hat.
Finalmente! Der Lambo fährt vor, aber nicht ein
Die rosa Brille setzt Bruno nicht auf, schließlich fährt er ja Vespa. „Bruno e le Rose” ist eine Cuvée aus 85% Lambrusco und 15% Pinot Noir. Finalmente! Da ist die Traube, die lokale Variante Lambrusco maestri, endlich am Werk. Dass auch im Duft rosafarbene Eindrücke (Kalbfleisch und rosa Pfeffer) auftreten, ist eher überraschend. Es zeigt aber den Verzicht auf einen kitschig-süßen Rosé-Typ. Gut so! Denn damit haben auch süße Zwiebel und sogar Radicchio ihren olfaktorischen Auftritt. Diesen herben Würzetönen steht aber eine ausgeprägte Himbeer-Frucht gegenüber. Sie tritt dann auch am Gaumen auf. Viel präsenter als die roten Beeren aber ist Rhabarber. Dessen feine Säure vermeint man dann auch zu schmecken, wenn der „Bruno“ so richtig den Appetit anregt. Erneut machen wir eine Apéro-Empfehlung aus – etwa zu Gemüsesticks oder Antipasti (z. B. gegrillte Melanzani)
Und dann ist da noch der „Nero di Lambrusco“ – ein reinsortiges Exemplar der Lieblingstraube der Cecis. Er bringt Johannisbeer-Duft mit, allerdings nicht allzu plakativ. Wie hinter einem Schleier ist diese Fruchtigkeit versteckt. Erahnen kann man sie, berühren nicht. Zu diesem etwas geheimnisvollen Duftbild passen auch die leichten rauchigen Akkorde. Man kann dabei an Wacholder denken oder auch geflämmten Rosmarin. Aber natürlich dominieren die Früchte, wir sind schließlich in „Lambo-Land“!
Das bestätigt er dann auch im Mund, wenn sich ein bekannter Wohlgeschmack ausbreitet. Das ist Erdbeere. Erdbeere pur. Allerdings mit der wichtigen Präzisierung, die man von der Cantina bereits kennt: Dass nämlich keinerlei Süße diese Frucht begleitet. Wohl aber eine feine Säure und – besonders gegen das Finale hin – auch ein wenig Gerbstoff. Er trägt aber auch Frucht in sich, ein wenig wie dickschalige Heidelbeeren. All das ergibt eine klare Empfehlung, was den Begleiter zum überhaupt nicht „kleinen Schwarzen“ des Lambrusco“ betrifft. Wurstwaren, allen voran natürlich die Helden von Parma: Prosciutto und Mortadella. So klassisch, so gut. It’s history repeating. Und es schmeckt einfach!
Wo bekomme ich den?
Alle Weine sind bei „Buongustaio Wien“, dem Spezialisten für italienische Lebensmittel und Weine im „Ersten“, erhältlich. Und das zum „prezzo unico“ (=Einheitspreis) von 17,90 Euro, www.buongustaio.at
Stichwort:
Italienische Weine, Spumante, Spirituosen & Weinführer