Andrea Marcolongo – Das Meer, die Liebe, der Mut ...
DER GÖTTER BO(O)TEN
Ganz unverfroren stelle ich ein erstes Zitat an den Beginn dieses Beitrags: „Unweigerlich kommt die Reise, die die Menschen auffordert, aufzubrechen“ schrieb Apollonios von Rhodos, der Verfasser von Die Fahrt der Argonauten.“ Zitat Ende, der Reise Anfang.
Älter als die Odyssee, aktueller als so manche Tageszeitung – so könnte man die Argonautensage kurz umschreiben. Andrea Marcolongo, eine junge italienische Bestsellerautorin mit dem Studium der klassischen Philologie im Gepäck, wagt auf charmante Art und Weise eine unterhaltsame Analyse des griechischen Mythos von der Argo – Sie wissen schon – dem ersten Boot, das die Götter schufen.
Warum so ein Stoff aktuell sein soll?
Es geht darin um nichts weniger, als um das Verlassen der Komfortzone. Der Held bricht auf, befährt mit seinen treuen Kameraden auf der Suche nach dem goldenen Vlies das erste Mal die weite See - nicht auf Sicht, vielmehr ins Ungewisse. Er segelt los, um zurückzukehren, seinen Vater zu retten. Auf dieser Reise begegnet er der Liebe seines Lebens, die ihrerseits aufbricht, um nicht mehr zurückzukehren, ihren Vater zurückstößt.
Ein zweites Zitat sei mir zur Veranschaulichung erlaubt.
„Ein Leben lang hattest du Angst zu fragen, was dir bevorsteht. Aus diesem Grund bist du aufgebrochen: Um nicht länger inopportun, fehl am Platz zu sein, beziehungsweise ohne einen Hafen, einen portus, in dem du wirklich du sein kannst. Und um die, die du liebst, und das woran du glaubst, nicht zu importunieren – nicht in Verlegenheit zu bringen, nicht zu verwirren. Um nicht länger entwurzelt herumzuirren, sondern um ein Land, einen Ort zu finden, wo deine Gedanken Wurzeln schlagen können.“
Kommen wir nicht alle von Zeit zu Zeit an diesen Punkt in unserem Leben? Oder, ist dies nicht ein Abbild der Gedankenwelt, die einen jeden Flüchtling durch den Kopf gehen muss, der eines dieser einfachen Schlauchboote eines Schleppers besteigt, um sich auf den Weg aus seiner Misere zu machen? Dass die Argonauten Griechenland in Richtung all dieser Hotspots heutiger Dramen verlassen, sei eine tagesaktuelle Randnotiz zu einer Geschichte, die immerwährend erscheint – womit der Bogen zur Einleitung dieses Beitrages gespannt sei.
Fazit: Ein Buch zum Segel setzen, zum „Alle-5-Jahre-wiederlesen“ zwecks Komfortzonenkontrolle, ein Buch wie ein Spiegel ...
Andrea Marcolongo
Das Meer, die Liebe, der Mut aufzubrechen
Folio Verlag
Aus dem Italienischen von Karin Fleischhanderl
Kaufbar bei:
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Fotoquellen/-rechte
Folio Verlag
Literatur - Prosa - Krimi