Reinhard Raffalt - Eine Reise nach Neapel

Autor: Martin Martschnig am 16.07.2020

Buchvorstellung: Reinhard Raffalts Klassiker
EINE REISE NACH NEAPEL ... e parlare italiano

 

Ja, ich gebe es zu! Als mich der Prestel Verlag kontaktierte und fragte, ob ich an einer Rezension der Neuauflage des "Raffalt" interessiert sei, war ich nicht ganz im Bilde. Was ich mir aber nicht anmerken ließ. "Blame it on my youth" hätte Frank Sinatra gesungen, wobei dieser wiederum das richtige Alter zur Zeit der Erstauflage hatte. Genug des Verwirrspiels, es soll ja keine Fragespiel à la  Millionenshow werden, wobei ...

Wie immer "offen für alles im Buchdeckelformat" war ich gespannt, was denn die motorisierte Brieftaube vorbeibringen möge. Kurz vorweg, es übertraf alle meine Erwartungen. Ich tat mir mit der angekündigten Mischung aus Reise- und Sprachlernlektüre in der Einschätzung schwer, wurde aber positiv überrascht - nein, überrumpelt, gerade "verraffalt".

Das "Wieso" sei hier kurz erklärt. Geschrieben wurde diese äußerst unterhaltsame Variante einer italienischen Reise im Jahre 1957! Reinhard Raffalt (Journalist, Schriftsteller, Musiker) lebte zu dieser Zeit bereits seit 5 Jahren in Rom und wollte sein Italien auf neue Art und Weise präsentieren bzw. als Sekundarnutzen zur Erlernung der italienischen Sprache verführen.



Dazu skizzierte er eine Reiseroute, die vom Brenner über Verona, Padua, Venedig und Bologna nach Florenz führt, bevor es weiter über Arezzo, Assisi, Orvieto und Rom nach Neapel geht. Das amüsante dabei ist die Art der Verquickung von Sprachkurs und Reiselektüre. Auch wenn die Reisebeschreibung den Hauptteil des Buchs einnimmt, so sind es für mich gerade die "Sprachkurseinwürfe", die es so einzigartig machen.

Aber nicht nur. Reinhard Raffalt offenbart sich als Kenner Italiens und der italienischen Lebensweise. Behutsam führt er den Reisewilligen aus dem Norden Europas in das Thema "Italien" ein. Großartig seine Gabe, den Finger auf den Puls einer Situtation oder Gegebenheit zu legen. So schreibt er 1957! kritisch über das Verkehrschaos in Rom, die zu vielen Motorboote in Venedig oder schmachtend über die Gondeln und Damen der Serenissima:
"Ich habe immer gefunden, daß zwischen den venezianischen Gondeln und den venezianischen Frauen einige bemerkenswerte Ähnlichkeiten bestehen: beide sind zum Beispiel nur mit abgefeimter Geschicklichkeit und List dazu zu bewegen, einen geraden Kurs einzuschlagen - beide haben die Leichtigkeit des Gleitenden und Flüchtigen, des Spielerischen und Unberechenbaren, schläfrige Grazie und zärtliche Durchtriebenheit"



Keine Bilderstrecken modernen Zuschnitts verstellen den Blick auf die Beschreibung seiner Leidenschaft, nur hie und da ein paar Skizzen. Zum Glück wurde der "Raffalt" in der Originalausstattung neu aufgelegt, er hätte sonst wohl an Charme und Phantasieanregungspotential verloren.

Nostalgische Gedanken kommen einen in den Sinn, wenn er über die verschiedenen Porti in Lire beim Versenden der Postkarte schreibt oder die Zeitschrift "La settimana a Roma" - eine Programmzeitschrift aus Zeiten vor der App-Verseuchung unseres Alltags - für die kulturelle Planung des Romaufenthalts empfiehlt. Das grandiose dabei: es wirkt nie altmodisch! In der in wunderbarem Deutsch gehaltenen Formulierung könnte man die Epoche der Zeilenwerdung seiner Gedanken habhaft werden. So stilvoll und elegant, charmant und voller infomationsvermittelnder Unaufgeregtheit wird heute leider nur mehr selten geschrieben.

Den Sprachkurs baut er geschickt in die Reisebeschreibungen ein, versorgt den Lesenden mit ersten Regeln der Grammatik und präsentiert viele sprichwörtliche Redewendungen. Vokabelsammlungen am Ende der Kapitel sorgen für Wiederholungen der gelernten Sprachbrocken, die sich im Laufe des Buchs beachtlich summieren.



Gerne vergräbt er sich in der reichen Geschichte italiens, um spielerisch mit unglaublicher Leichtigkeit ins Formulieren zu kommen, wenn es z.B. in Bologna um die Universität und dabei um eine Professorin der Rechtsgeschichte im 14. Jhdt. geht: "Man erzählt von der Bologneser Professorin Novella D`Andrea, die im 14. Jahrhundert den Studenten aus aller Welt die Rechtsgelehrsamkeit beibrachte, daß sie ihre Vorlesungen hinter einem undurchsichtigen Vorhang halten mußte, weil ihre ungewöhnliche Schönheit die armen Studiosi vollständig aus dem Konzept gebracht hätte!"

Ein Bildermaler der Worte, ein Buch für geschichtlich interessierte Italienbegeisterte mit dem subtil vermittelten Anreiz, sich der italienischen Sprache zu widmen, da sie einem erst das Tor zu Land und Leuten zu öffnen vermag. Sie sehen, ich bin noch immer hin und weg und dem Verlag dankbar für die Möglichkeit des Kennenlernens dieses Klassikers. Enden will ich mit einem weiteren Zitat seiner Betrachtungen zu Neapel: "In dieser herrlichen, uralten Muschel braust das Leben mit allen seinen Gefühlen in einem jahrtausendalten Taumel dahin, diese Stadt ist eine Garküche der menschlichen Existenz, ein tanzender Mückenschwarm über einem ungeheuren Feld aus erstarrter Lava. Neapel, das ist List, Intelligenz, Hilfsbereitschaft und Heuchelei, das ist Gewinnsucht, Aberglauben, Großmut und Toleranz, Schlagfertigkeit und Intrige ...."

Reinhard Raffalt
Eine Reise nach Neapel
... e parlare italiano
Prestel Verlag
Neuauflage 2020

Kaufbar bei:
Hartliebs Bücher (Italienspezialist in Wien, verschickt auch!)
Porzellangasse 36
1090 Wien

oder online unter: 
Eine Reise nach Neapel - Der erfolgreiche Sprachkurs mit Wörterbuch italienisch/deutsch: Mit der Original-Rundfunkserie zum Downloaden

Abbildungen & Rechte:
Die Abbildungen stammen aus dem Skizzenblock meines lieben Freundes, Architekten und Italienkenners Stefan Zieger - nochmals 1000 Dank fürs zur Verfügungstellen!

 

Stichwort:
Reiseführer, Reiselektüre & Lokalführer
Kategorien:
Bustine di bacco

Roland Graf im Blog auf italissimo- Bustine del bacco

Bustine di bacco

„Bustine di Minerva" hieß Umberto Ecos langjährige Kolumne und frech strich Roland Graf die Göttin des Herdes und ersetzte sie für die neue „italissimo"-Kolumne durch den Gott des Rausches. 

Der Autor (im Bild von Ch. Barz vor den besagten Bustine abgelichtet) sagt damit gleich auch etwas über sich: Er ist studierter Philosoph und Philologe (daher die Eco-Hommage!), vor allem aber Reisender in Sachen Getränken. 

Stand zu Beginn vor allem die Berichterstattung über Winzer im Mittelpunkt, erweiterte sich der Schwerpunkt seiner Artikel - in „Mixology", „Cigar Journal", der ÖGZ sowie dem FALSTAFF - auf die Themen Bier, Spirituosen und Bars. 

Nachzulesen, neben dem Italien-Blog Ihres Vertrauens, ist das auch alle zwei Tage aktualisiert unter www.trinkprotokoll.at.

mipiace.at

Mipiace.at Christoph Cecerle

mipiace.at

Christoph Cecerle macht vor keinem fahrbaren Untersatz halt und hält sich dabei ausnahmslos an italienische Fabrikate. Ob im Rennsportsitz eines Abarth, auf dem Sattel einer Moto Guzzi oder Vespa oder verdecklos im Cinquecento, der Mann testet alles, war zwei bis vier Räder hat.

Seine Testberichte sind derart genussvoll, daß ich nicht anders konnte, als ihn auf italissimo.at einzuladen. Wer mehr von ihm lesen will, dem sei sein Blog mipiace.at ans Herz gelegt, wo es auch schon einmal um Mode und Genuss im engeren Sinne gehen kann.