30. August bis 24. Oktober 2019
GIALLO. ITALIENS THRILLER-MODERNE
Foto: L'uccello dalle piume di cristallo (Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe / The Bird with the Crystal Plumage), 1969, Dario Argento
Als Bezeichnung für eine filmische Genre-Idee ist der italienische Giallo fast so kultverdächtig wie Film noir. Die enorm einflussreiche Welle von Giallo-Krimis aus Italien in den 1960ern und 1970ern besetzte einen Schnittpunkt in der Popkultur, an dem Kunst und Exploitation überlappten. Der revolutionäre filmische Modernismus der Ära wurde in Mainstream-Produktionen und B-Pictures geschmuggelt, die mit ihren kühnen Grenzgängen zwischen Psychothriller und Horror, Phantastik und Erotik zugleich wie das Angstlust-Spiegelkabinett einer Epoche wirken.
Unsere Retrospektive ist der erste Versuch weltweit, das Phänomen Giallo im großen Maßstab zu erforschen – mit über 40 ausgewählten Filmen, viele in seltenen Kopien.
Foto: Il gatto a nove code (Die neunschwänzige Katze), 1971, Dario Argento
Künstlerisch fasziniert am Giallo die Weise, wie sich ein unbedingter, oft exzessiver Wille zum Stil (bis hin zum Cinéma pur) mit narrativem Wagemut verbindet, um die Erschütterungen einer Welt nach der (gescheiterten) politischen und sexuellen Revolution zu beschreiben. Erzählungen werden elliptisch, delirierend, die (Farb-)Gestaltung wird rauschhaft, der Ton artifiziell, geradezu musikalisch. Reaktion und Fortschrittlichkeit, progressive Gesellschaftskritik und konservative Ängste verkeilen und verstricken sich in kühn orchestrierten Bildern ineinander.
Der Giallo ist ein Kind der italienischen Wirtschaftswunderzeit und erzählt auf symbolischer Ebene viel von den Spannungen der Epoche, inklusive der Weise, in der exzessive Gewalt die bürgerliche (katholische) Ordnung unterbricht und zerstört. Betrachtet man ihn als Spiegel der Fantasien und Ängste seiner Ära, wird vieles, das auf den ersten Blick klar umrissen und klischeehaft aussieht, ambivalenter oder zumindest verhandelbar. So kündet zum Beispiel die grausame Weise, in der Gewalt an Frauen in manchen Filmen sexualisiert wird, von jener Bedrohung, der sich das traditionelle italienische Männlichkeitsbild nach 1968 ausgesetzt sah. In anderen Beispielen erweist sich der Machismo überhaupt als der Weiblichkeit unterlegen, generell lösen sich die althergebrachten Geschlechterrollen sukzessive auf – auch in seiner queerness ist der Giallo ein Zeitbild.
Foto: Profondo rosso (Rosso – Farbe des Todes / Deep Red), 1975, Dario Argento
Mit Filmen von Dario Argento, Pupi Avati, Mario Bava, Paolo Cavara, Lucio Fulci, Aldo Lado, Elio Petri, Giulio Questi u.v.a. Aldo Lado wird zum Eröffnungswochende im Filmmuseum zu Gast sein und zwei seiner Filme vorstellen.
Der italienische Genre-Experte Roberto Curti wird die Schau mit einem Vortrag und Einführungen begleiten.
Mit besonderem Dank an unseren Hauptpartner Cineteca Nazionale und das Istituto Italiano di Cultura di Vienna.
In Kooperation mit /slash Filmfestival.
PDF - Filmliste
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Fotoquellen:
Österreichisches Filmmuseum
CinetecaNazionale
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