Bustine di Bacco - Herrn Grafs italienische Trinknotizen
FOLGE 9 - DER ROTE COCKTAIL DES CONTE – 100 JAHRE NEGRONI
„Ein Mann kommt in eine Bar….“ Mit diesem Satz beginnen nicht nur schale Witze, sondern auch Legendäres in Cocktail-Schalen. Das zeigt die Geschichte des „Negroni“, des weltweit wohl bekanntesten italienischen Cocktails. Luca Picchi kommt als Autor des Buches „Sulle tracce del conte. La vera storia del cocktail Negroni” (Casa editrice Plan) das Verdienst zu, den Grafen Negroni den Nebeln der Geschichte entrissen zu haben.
Eine Carta d’identitá von 1929, mit Stempelmarke samt Rutenbündel der Faschisten versehen, hat die Existenz des Conte bewiesen. Er kam also in die Bar, das Caffé Casoni in Florenz, und revolutionierte die Aperitif-Kultur. Denn er wollte seinen „Americano“ statt mit Soda eben mit Gin serviert bekommen. Vermutlich war es noch nicht die später ikonisch gewordene Mischung aus jeweils gleichen Teilen Wermut, Campari und Gin, sondern nur ein paar Spritzer, die dem auch als „Milano-Torino“ bekannten Duo Campari und Martini Rosso neue Kraft verliehen.
Unsicher wie die genaue Mischung dieser Aperitivo-Geburtsstunde bleibt auch ihre Datierung. 1919 oder 1920 soll es jedenfalls gewesen sein. Doch Campari schafft Fakten und begeht den 100. Geburtstags des Drinks eben dieses Jahr. „N 100“ heißen die Feierlichkeiten intern und offenbar muss man auch wieder an die Geschichte des Cocktail-Klassikers erinnern. Schlägt man die Februar Ausgabe der „La Cucina Italiana“ auf, wird da nämlich glatt eine Negroni-Variante ohne Campari serviert. „Geht gar nicht!“, würde man weiter nördlich in Germania sagen, denn als eine der wenigen Cocktail-Rezepturen schreibt die „International Bartenders Association” (IBA) hier sogar die Marke des Bitterlikörs fest:
Negroni
REZEPT
Ein Teil (3 cl) Campari
Ein Teil (3 cl) Roter Wermut
Ein Teil (3 cl) Gin
GLAS Tumbler (im Gefrierfach vorgekühlt)
GARNITUR Halbe Orangen-Scheibe
ZUBEREITUNG
Campari mit Vermouth und Gin im Rührglas auf Eis 30 Sekunden kalt rühren. Eiswürfel ins Glas geben und Drink darauf abseihen. Mit der Orange garnieren (kommt in den Tumbler; am besten zwischen Eis und Glaswand)!
Bei der Zubereitung – die IBA baut den Drink gleich im Glas, das ist für die Heimbar aber etwas schwieriger – gibt es Varianten. So zitieren Bartender auch gerne mit einer zweiten Zitrusfrucht, der Zitronen-Zeste, den Ursprung im „Americano“. Die Orange soll Bartender Fosco Scarselli in Florenz verwendet haben, um den Drink des Conte Negroni vom Original zu unterscheiden. Doch am Campari gibt es kein Rütteln!
Das unterstreicht aktuell auch der Film „Entering Red“ mit dem kubanischen Hollywood-Star Ana de Armas: Nach Keanu Reeves (in „Knock, knock“) oder Harrison Ford („Blade Runner 2049“) stand diesmal der Italiener Lorenzo Richelmy an ihrer Seite. Er hinterlässt ihr in einem Club einen Ring mit drei Steinen – sie symbolisieren Gin, Wermut und Campari als Zutaten des Negroni – und löst so eine Suche im nächtlichen Mailand aus. Den Dom entlang, durch die Galleria und letztlich in den Hauptbahnhof führt Anas Weg. „Es sollte ein zeitgenössisches Märchen werden“, meint Matteo Garrone zu der traumhaften Szenerie in Rot. „Zehn Tage dauerten die Dreharbeiten“, so der Regisseur von Italiens Oscar-Beitrag 2019 („Dogman“) und dem beklemmenden Camorra-Porträt „Gomorrha“, über seinen Kurzfilm zum Negroni-Geburtstag.
Gefeiert wurde die Premiere neben dem in zwei Mailänder Original-Locations: der roten Straßenbahn der fiktiven Linien „N 100“ und dem „Club 55“. Hier mixten dann sechs internationale Bartender – aus Buenos Aires, München, New York oder Manchester – ihre Version des „Negroni“. Und in diesem Fall gab Herr Graf 100 Jahre später gerne den „Conte“.
Wo bekomme ich den?
Als echter Italo-Klassiker ist der „Bitter Campari“ praktisch in allen Supermärkten vorrätig. Interspar führt ihn z .B. um € 16,90 (Liter-Flasche). Cin cin!