Bustine di Bacco - Herrn Grafs italienische Trinknotizen
FOLGE 6 – ROSA HINKELSTEINE UND ROTE LIPPEN: FACETTEN DES SALENTO
Das Salento ist nicht die Bretagne. Und doch gibt es in der Provinz Lecce Menhire, wie man sie sonst eher mit Frankreich (Asterix!) oder England verbindet. Am italienischen Festland sind die im Gegensatz zu den Steinkreisen von Carnac oder Stonehenge einzeln stehenden Steine der jüngeren megalithischen Zeit (mehr oder weniger 3.000 bis 1.200 Jahre vor Christus) eher selten. Und so ist man stolz auf die bis heute erhaltenen Hinkelsteine der Provinz Lecce, etwa bei Ussano oder Zollino, von denen einer so nah am Bahnhof steht, dass er den Spitznamen „Della Stazione“ trägt.
Womit wir auch beim Wein wären, um den es in den „Bustine“ ja eher geht denn um mysteriöse Stein-Findlinge. Doch die „Cantine Menhir“ trägt ihren ansonsten wenig verständlichen Namen eben als Hinweis auf die Frühzeit Apuliens, als die Menapier hier Steine schleppten. Dann erst kamen die Griechen auf den Absatz des italienischen Stiefels und von ihnen einiges Weinbau-Know How.
Seltsam: Den „Schwarz-schwarz“ gibt’s es auch rosa
Ob auch die apulische Hauptrebe auf die Kolonisten zurückgeht, denen der Salento seinen Dialekt „griko“ in der Graecia Salentina verdankt, ist umstritten. Denn der Negroamaro könnte eine Kombination aus dem lateinischen „niger“ (schwarz) und dem griechischen „mavro“ (heißt ebenfalls „schwarz“) – wie man es vom süßen Mavrodafne (Μαυροδάφνη) kennt – sein: Der „schwarz-schwarze“ Wein spielt wenig überraschend auch bei den „Menhir“-Winzern der Familie Marangelli eine Hauptrolle. Irgendwie geht es jedenfalls in allen Beschreibungen um die dunkle Farbe und den herben Geschmack der 1872 erstmalig auch schriftlich erwähnten Sorte (mehr zu den Namens- und Herkunftstheorien listet der „Guida ai vitigni d’Italia“ (Slow Food Editore)). Die Farbe kommt selbst im Erdbeer-dunklen und nicht Barbie-Rosa-blassen Rosé durch, der als erster Menhir-Wein unser Glas benetzte.
„Novementi“ steht für leichtere Weine aus dem 10 Hektar großen Weingut, der Rosato duftet nach Erdbeeren, Marzipan und Nougat, doch die satten Töne täuschen. Im Mund wird es leichter, kühler und präziser, der rosa Negroamaro erinnert an roten Apfel und Würzkräuter (wie Oregano). Er ist im Finish sogar leicht salzig, in jedem Fall auch sehr trinkanimierend – im Gegensatz zu französischen Rosés funktioniert der Rosato nicht über die Säure, erfrischt aber ebenfalls, wenngleich unter dem Übertitel „sehr weinig“.
Dass man im Salento auch knackige Rosatos hat, zeigte dann der zweite Tipp von Sara Rizzi, Betreiberin des Apulien-Alimentari-Paradieses „Il Pumo“ in der Wiener Lindengasse: „Kreos“ heißt der griechisch inspirierte Wein aus dem „Castello Monaci“. Auch hier kommt die Mandelnote im Duft durch, zur Erdbeere gesellt sich aber auch Rhabarber, es wird also auch säuriger, dazu notieren wir auch Orangenblüten-Aromen. Die mineralische Note des Rosatos des zweiten Weinguts im „Il Pumo“-Sortiment sorgt in Kombination mit den Zitrusfrüchten dieses Weins (vor allem Zitronenzeste) für einen schönen herb-frischen Biss. Empfohlen wird dieses „Bitter Lemon“ von einem Rosé zu Sardellen, aber auch zu Scampi ai ferri, also frisch vom Grill, könnten wir uns den 2015er vom „Castello Monaci“ gut vorstellen.
Die Schlossherren legen dem Weinliebhaber damit auch eine erste Treppenstufe, um zu ihren intensiveren Varianten vorzustoßen. Bis 16,5% Alkohol und damit knapp an die Likör-Grenze führt dieser Aufstieg, den wir mit dem Salice Salentino des Hauses, also einer Cuvée aus Negroamaro und Malvasia Nera, fortsetzen. Hier stehen dann 15 Volumsprozent zu Buche, die sich beim 2014er als eine Mischung aus schwarzer Olivenpaste und Walderdbeere in der Nase darstellen. Sauerkirsche prägte diesen Jungspund, der auch beim Tannin noch Ungestüm zeigt. Der Name passt zu solchem Vorpreschen; Aiace, also dem Homerischen Helden Aiax, ist der Rotwein aus dem „Castello Monaci“ gewidmet. Wie schmeckt so ein epischer Kämpe? Im gegenwärtigen Fall nach Sauerkirsche. Sie prägt, mit sich mächtig an den Gaumen legendem Tannin, den 2014er „Aiace“ bis ins Finale. Gemach, mein Held, gemach – auch in ein paar Jahren werden wir Dich noch schätzen!
Weicher Stein und Bussi-Wein – die Roten mit dem Menhir
Dazwischen kommt einer der besten Weine des Nachmittags in der Lindengasse daher, es ist ein weiteres Glas von den „Cantine Menhir“: Schon beim Eingang zum „Il Pumo“-Wein-Reich nicht zu übersehen ist der verführerische Kussmund, den uns der „Fine“ am Etikett entgegenstreckt. Der 100% aus Negroamaro-Trauben erzeugte Rotwein des Jahrgangs 2012 stellt eine wirklich Preis-Genuss-Empfehlung dar. Komplex legt dieser „Menhir“-Wein schon seine Duftnoten an: Das indische Gewürz Asafoetida, hierzulande gern als Asant oder Hing bezeichnet, mussten wir ehrlicher Weise in seiner Schreibweise nachschlagen, so selten kommt es in Kostnotizen vor. Doch hier ist es eindeutig da im Duft und begleitet Röstmandeln, gegrillte Zucchini und Brombeeren. Die dunklen Beeren-Töne prägen auch den Kost-Schluck, hier dachten wir eher an Heidelbeeren, die sich in Richtung Würze auflösen und dann als Lakritze und Bockshörndl erscheinen. Trotz seiner nicht gerade zaghaften 15,5% Alkohol brennt der „Fine“ nicht, im Gegenteil, das Tannin verhaucht in einem langen „Fade out“ am Gaumen, was für einen schönen Zug sorgt. Sagen wir es wienerisch: der „Fine“ 2012 mit seinem Kussmund ist ein „Bussi-Wein“!
Wer mit Apulien fruchtsatte Rotweine zur Pasta (Orechiette, what else?) verbindet, greift stattdessen zu einem Wein, der wie ein Stein heißt – „Pietra“ der Ernte 2015. Der wurde mehrheitlich aus Primitivo erzeugt. 40% steuert der Susumaniello zum Blend bei, eine Rebe, die (viel poetischer) einmal „Lacrima di Puglia“ genannt wurde und nicht aus Griechenland, sondern vermutlich aus Dalmatien stammt. Das Ergebnis duftet nach Bratapfel, Maroni, schwarzen Kirschen und Leder – und man liegt richtig, wenn man einen intensiven Wein hinter diesem Parfüm vermutet. 15,5% Alkohol sind hier aber versteckt, dass man zwei Mal am Etikett nachliest, ob das stimmen kann. Denn ein weiches, fast seidiges Mundgefühl zeichnet den Roten aus den „Cantine Menhir“ aus.
Das Tannin mag deutlich sein, doch wird es lange von der fast expressiven Kirsch-Frucht des „Pietra“ überlagert. Kurz wirkt das wie ein Fruchtsaft, wenn sich nicht in der intensiv duftenden Ledertasche, die der Wein mitführt, auch noch Gerbstoffe und schwarzer Pfeffer versteckt hätten. Am besten einen Teil in die „mezzo litro“-Karaffe zum Essen geben und den Rest danach trinken – der Wein braucht viel Luft, als 2015er ist er auch noch recht jung, doch lohnt sich das Öffnen des „Pietra“, denn der „steinerne“ Wein wirkt weit weicher, als Geburtsdatum und Alkohol vermuten lassen.
Zurück im Schloss – mit 16, 5 Volumsprozenten
Als Schlusspunkt der Verkostung wartet das Schwergewicht der „Castello Monaci“-Weine: „Artas“, ein reinsortiger Primitivo, dessen 16,5 „Umdrehungen“ schon kurz angedeutet wurden. Wieder ist da der süditalienische Duft der Marke „Kirsche in der Lederjacke“, dazu kommen zarte Rosenblüten über dem ledrig-rauchigen Grundton, aber auch eine Dosis schwarzer Pfeffer. Erstmalig kommt hier am Gaumen der Alkohol doch deutlich durch, der „Artas“ ließe sich als „Powidl auf Steroiden“ überschreiben mit der intensiven, leicht stichigen Zwetschken-Aromatik. Dennoch wirkt er im Antrunk mehr saftig als breit, eine dunkle Beeren-Mischung begleitet die Zwetschken bei diesem Wein, den man als Solist nach dem Essen reichen sollte. Jetzt darf die Toscano-Zigarre ausgepackt werden – selbst wenn wir in wein-technisch Apulien sind. Beine hochlagern nicht vergessen!
Wo bekomme ich das?
Alle Weine sind bei „Il Pumo – Feinkost“ erhältlich: Der Rosato „Novementi“ 2016 von den Cantine Menhir um 9,20 Euro, der Rosato „Kreos“ 2016 von Castello Monaci um 7,50 Euro; für den „Aiace“ verlangt Sara Rizzi 14,50 Euro, für den „Pietra“ 2015 sind es 16,30 Euro. Der „Fine“ 2012 kostet bei „Il Pumo“ 19,90 Euro, das Schwergewicht „Artas“ von Cantine Menhir kommt auf 20,00 Euro.
Il Pumo
Lindengasse 37
1070 Wien
www.facebook.com/ilpumofeinkost/
Fotoquellen / Fotorechte:
Martin Martschnig - italissimo.at