Reiseperspektiven
DIE INSELWELT DER TOSKANA IM SEGELTUCHFORMAT BETRACHTET
Wird man von einem Freund auf eine Segelpartie auf dessen Boot in Wochenlänge eingeladen, erübrigen sich urlaubstechnische Überlegungen, man muss zusagen! So passiert im letzten Herbst, als ich für eine Woche auf der "me ne vado" anheuern durfte. Bei dieser Yacht ist schon der Name Programm, aus dem Italienischen frei übersetzt könnte man sagen "ich bin dann mal weg ...". Erinnert irgendwie an Harpe Kerkeling und sein Buch über den Jakobsweg. Nun ist eine Woche auf dem Segelboot zwar keinstenfalls so beschwerlich aber doch eine Art Pilgerreise zur Ruhe und zu sich selbst.
Als Segelrevier wurden die Küstenverläufe der Toskana und Liguriens bestimmt, da die Yacht gerade in einer sehr netten Marina südlich von Castiglioncello am Hafenbecken lag. So war die Anreise ein angenehmer und kulinarisch hochwertiger Vorspann zum Breitwanderlebnis Segeln. Die geografisch-kulinarische Gelegenheit der Marinalage (Marina Cala de' Medici - übrigens optimal auch in Sachen Yachtcharter) wurde genutzt, schließlich mußte ich mich mit flüssigem und festen Proviant an Bord einkaufen. Vom Winzer zur Winde, vom Schafskäsebauern zum Leinen-los-Signal und ein wenig Wildschweinsalami durfte als Zugabe und Abwechslung zum Fisch auch nicht fehlen.
So kam von mir mehr Proviant als Gepäck an Bord, was als vorbildlich honoriert wurde. Meinen Freund und Skipper für die nächsten Tage kann man als eingefleischten - oder sollte man auf der See "eingefischten" - Segler bezeichnen. Die Motorunterstützung kommt nur auf dem Weg in und aus der Marina oder in Notsituationen in Frage, ansonsten wird gesegelt. Und darin liegt auch das Relaxmoment so einer Pilgerreise zu Wasser. Sobald das Motorengeräusch verstummt und der Wind den Ton angibt, die Segel den Wind einfangen und der Wellenschlag zum Grundbeat jedes Gedanken wird, wird es mehr als nur gemütlich. Die Stress fällt "all' improviso" ab und der Genuss der Landschaft kann beginnen.
Damit hat eine Toskanareise der anderen Art begonnen. Vorbei an Castiglioncello, wo sich in den 50er - 70er Jahren die Filmikonen Italiens zur Sommerfrische trafen - Marcello Mastroianni eine wunderbar im Klippenbereich der Küste gelegene Villa hatte - Richtung Norden. Für die Cinque Terre, Portofino und einen Blick auf Camogli verließen wir kurz die Toskana, für ein Croissant Italien, um Korsika auf dem Weg Richtung Süden einen Besuch abzustatten. Für die Rückkehr ins Bel Paese steuerten wir die Naturschönheit Isola Capraia an um uns anschließend zwei Tage lang an den wunderbaren Küsten- und Strandverläufen der Isola d`Elba ohne nachlassenden Hunger satt zu sehen.
Eine mir liebgewordene Routine war die Organisation des richtigen Tropfens im Weinglas für den Sundowner. Dazu passende Spuntini im Fingerfoodformat reichten aus, um den Tag genussvollendet zur Nacht werden zu lassen. Eine Woche wie eine Auszeit, zumal auch die Bordgespräche zunehmend entschleunigt schienen. Kein Wunder, darf man hier doch in dieser kleinen Inselwunderwelt Italiens Stunden zu Tagen werden lassen. Ein wenig Montecristo zwischendurch auf Steuerbord und noch zur südlichen Spitze der Region zur Isola Giglio, die vom sinkenden Riesen befreit aufzuatmen weiß. Dahinter der Monte Argentario und an Land die Gegend um Bolgheri, wo die Ernte der Supertuscans längst stattgefunden hat ...